Die erste Woche verbrachten wir in Kathmandu - eine chaotische, spannende, aber leider auch sehr versmogte Stadt.
Erst einmal im neuen Land ankommen, die folgenden Wochen im Himalaya planen, Bewilligungen organisieren, einen neuen, warmen Schlafsack für Caro suchen und Essensvorräte auffüllen. Zum Glück haben wir uns dafür genug Zeit genommen. Denn bereits am zweiten Tag lag Caro mit einem üblen Magen-Darm-Infekt im Bett. Wir lernen: auch für abgekochtes Teewasser ausschliesslich gekauftes Flaschenwasser benutzen - Willkommen in Nepal!
Wie wir es bereits aus anderen Ländern kennen, ist es auch in Nepal nicht ganz einfach, an verlässliche Informationen zu kommen. Immer wieder werden wir mit dem Gerücht konfrontiert, dass es mittlerweile überhaupt nicht mehr möglich sei, individuell, ohne Guide in Nepal zu wandern. Selbst auf einfachsten Kieswegen nicht. Eine vermeintliche Bestätigung haben wir tatsächlich direkt selber erhalten, als wir einen Hügel am Rande von Kathmandu hochspazierten und vom Militär abgefangen wurden. "Wo ist euer Guide?". Freundlich haben sie uns dann auf der breiten Strasse, auf der man sich unmöglich verlaufen kann, herunterbegleitet.
Beim Tourist Office, wo wir unsere Bewilligungen für gewisse Abschnitte im Himalaya besorgen mussten, erhielten wir diesbezüglich von drei verschiedenen Mitarbeitern drei verschiedene Informationen. Schlussendlich entschieden wir uns, einfach mal loszuziehen und zu gucken wie die Realität vor Ort tatsächlich aussieht. Die Permits haben wir schliesslich auch ohne Guide erhalten.
Inzwischen wissen wir, dass die Guide-Pflicht tatsächlich 2023 einseitig vom Nepal Bureau of Tourism - einer Art Lobby-Organisation der Trekking-Agenturen - verkündet wurde. Eigenmächtig und ohne klare, eindeutige Bestätigung seitens der Regierung. Daher ist diese fadenscheinige Regel eine Farce – angeblich hält sich niemand in Nepal daran. Seien wir gespannt!
Nach einer Woche im versmogten Kathmandu machten wir uns also endlich auf den Weg in Richtung Berge. Wir haben online ein Bus-Unternehmen gefunden, das mit einem Reisecar in 17 Stunden direkt von Kathmandu nach Taplejung - unserem Ausgangsort der GHT-Wanderung - fährt. Preis, Abfahrtsort und -zeit, alles auf der Homepage klar angegeben. Und das in Nepal, wow! Um 12.00 Uhr sollte die lange Busfahrt losgehen. Da wir mittlerweile wissen wie chaotisch es auf solchen Busbahnhöfen zu und hergehen kann, verliessen wir unsere vier Kilometer entfernte Unterkunft bereits um 10.00 Uhr. Mit einem kleinen Abstecher zu einer Strassen-Familie, die nun Besitzer von Caros altem Schlafsack ist, erreichten wir überpünktlich um 11.15 Uhr den Busbahnhof. Geduldig fragten wir uns durch, wo unter den Duzenden Bussen denn der "Baba Adventure" steht. Doch niemand wusste etwas von dieser Bus-Company und ausserdem sei es definitiv nicht möglich, mit einem grossen Bus nach Taplejung zu fahren. Viel zu kurvig und viel zu eng!
Mithilfe eines netten Herrn konnten wir dann zwei Tickets für einen Bus kaufen, der täglich um 15.00 Uhr nach Chaarali fährt. Dort müssten wir in einen Jeep umsteigen.
OK, Zeit totschlagen, aber immerhin kommen wir heute noch von Kathmandu weg. Pünktlich um 15.00 Uhr fuhr der Bus tatsächlich los. Aufgrund pakistanischer Erfahrungen machten wir uns schon etwas Sorgen, ob er auf der 14-stündigen Fahrt auch Pinkelpausen macht. Ja, tatsächlich, alle zwei Stunden! Aber auch durch die Nacht... Im Zweistundenrhythmus - kaum halbwegs ein wenig eingenickt - gingen die Lichter an und der Fahrer kündete lautstark die nächste Pause an. Mit drei Stunden Verspätung, nach 17 Stunden, völlig übernächtigt und müde erreichten wir Chaarali, wo wir sofort von einem Jeep-Fahrer in Beschlag genommen wurden. Die Reise ging also unmittelbar weiter. Neun Stunden zusammengepfercht (auf Dreiersitzen haben in Nepal natürlich vier Personen Platz), bei dröhnender Nepali-Musik flitzten wir die enge, kurvenreiche Strasse hoch. Was waren wir froh, als wir nach 26 Stunden Fahrzeit endlich angekommen sind!
Tagsdarauf starteten wir unsere Wanderung von Ost nach West auf dem Great Himalayan Trail. Ein Weitwanderweg, der theoretisch von Bhutan bis Indien führt. Immerhin theoretisch und somit zumindest von einigen Personen abgewandert. Aber den Weg muss man selber suchen, denn Markierungen gibt's keine.
Wir haben uns für die "Low Route" entschieden, da sie gemäss (hoffentlich verlässlicher) Informationen, im Gegensatz zur "High Route", komplett ohne Guide wanderbar sein soll. Zudem steigt die "Low Route" auf maximal 4600 müM, was uns im kalten Februar/März sehr entgegenkommt (es ist schon auf aktuellen Höhen manchmal erbarmungslos kalt!). Da sie ausserdem durch eher unbekannte, untouristische Gegenden führt, kommt man wesentlich mehr mit dem "echten" Nepal und den Bergvölkern in Berührung, was uns zusätzlich sehr reizt.
Seit zehn Tagen wandern wir nun durch die vielen nepalesischen Berg-Weiler. An regen- und nebelfreien Tagen (die sich hoffentlich zukünftig noch besser durchsetzen) sind wir beeindruckt von der atemberaubenden Landschaft der Himalaya-Region. Beeindruckt und fasziniert sind wir aber vor allem auch von der Lebensweise der Einheimischen. Wäsche waschen im bitterkalten Wasser mit schwarzblauen, dick angeschwollenen Füssen, riesige Körbe schleppen, Strassenbau oder Holzhacken: vor allem die - oft in Überzahl - schwerst arbeitenden Frauen imponieren uns sehr. Gleichzeitig haben wir den Eindruck, als entspringten sie mit ihren wunderschönen Kleidern und dem ausgeprägten Gesichtsschmuck direkt aus der Zeitschrift "National Geographic".
Ihre Freude über jedes "Namasté" von uns Ausländern ist berührend und dennoch scheinen sie eine gewisse Skepsis zu hegen. Als wir in einem Weiler auf 3000 müM wegen der extremen Kälte einen Zufluchtsort suchten, der uns zumindest mehr vor dem eisigen Wind schützt als unser Zelt, wurden wir auf unsere Nachfrage nach einem Zimmer entweder abgewiesen, ignoriert oder weitergeschickt. Beim allerletzten Haus hatte eine ältere Dame dann doch noch Erbarmen und vermietete uns ein zwar genau so kalter Raum mit jedoch dicken, warmen Wolldecken. Dhanyabaad!!!
Es ist eindrucksvoll ein Land sich so offensichtlich entwickeln zu sehen. Überall, wirklich überall - kaum verlässt man die ganz abgelegenen Berg-Weiler - werden Strassen gebaut. Nepal macht an manchen Tagen den Eindruck einer einzigen, riesengrossen Baustelle. Das hinterlässt immer sehr zwiespältige Gefühle. Auf der einen Seite wünschen wir natürlich jedem einzelnen Nepali, dass er irgendwann sein schweres Feuerholz nicht mehr auf Trampelpfaden zu Fuss, sondern auf einer ausgebauten Strasse transportieren kann, gleichzeitig kann man dabei zusehen, wie deswegen die wunderschöne Natur zerstört wird.
Auch wünschen wir allen Einheimischen ein Haus mit fliessend Wasser und einer Heizung.
Doch genau so wünschen wir ihnen, dass sie die Entwicklung rechtzeitig stoppen werden und nicht von der Ent- in die Verwicklung der Moderne abrutschen. Wir hoffen, dass die Nepali ihre zwar unbequemere und härtere, aber viel natürlichere, menschlichere Lebensweise bewahren und diese nicht irgendwann aufgrund falscher Hoffnungen eintauschen gegen ein Dasein geprägt von Maximalleistung und Höchsteffizienz.
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